
Talentismus im Tagungshotel in Bad Saarow
Ein branchenübergreifender Blick auf den Konkurrenzkampf um talentierte Fachkräfte
Talentismus. Wie bitte? Was sich anhört wie eine merkwürdige Wortneuschöpfung, ist ein Begriff aus der Trendforschung. Talentismus setzt auf die individuelle Förderung menschlicher Kreativität und nimmt Abschied von der rationalen Leistungsgesellschaft. Erst Talentismus, nun noch Megatrends und New Work? Klingt nach einer inflationären Anhäufung unterschiedlichster Buzzwords? Steht allerdings tatsächlich in einem logischen Zusammenhang und ist schneller und leichter erklärt, als es anfangs scheinen mag.
Trend, Megatrend – und dann?
Wieso sprechen wir überhaupt von Trends und dann auch noch von „Mega“-Trends? Im Allgemeinen bezeichnen Trends nichts anderes als Veränderungen in den unterschiedlichsten Lebensbereichen. Während Trends im allgemeinen Verständnis heute oft als oberflächliche und kurzfristige Modeerscheinungen wahrgenommen werden, ist der Begriff in der Trendforschung weitaus vielschichtiger. Hier werden ebenfalls die tiefergehenden und nachhaltigeren Strömungen, die sogenannten Megatrends, untersucht.
Innovation und Fortschritt durch Veränderung
Megatrends bezeichnen nun tiefgreifende Prozesse des Wandels. Sie prägen und Verändern Gesellschaft nachhaltig. Grundlegend verlaufen Megatrends über mehrere Jahrzehnte (mindestens 25 bis 30 Jahre). Die nachhaltigen Trends beeinflussen sowohl Individuen als auch alle Ebenen des gesellschaftlichen Lebens – Wissenschaft, Kultur, Technik, Wirtschaft und Politik. Kurzum: Megatrends sind Treiber für Innovationen und globalen Fortschritt. Sie bergen Chancen und Potenziale, aber auch Herausforderungen und verändern die Welt grundlegend. Gegenwärtige Megatrends sind unter anderem Globalisierung, Konnektivität und Urbanisierung, aber auch Gender Shift und New Work.
Megatrend New Work
Der Megatrend New Work wurde bereits Mitte der 1970er Jahre von dem Sozialphilosoph Frithjof Bergmann in seinen Grundzügen definiert. Dieser heutige Modebegriff steht für eine Vielzahl alternativer Arbeitsmodelle. Dieses Schlagwort ist zugegeben nicht wirklich neu, aber umso relevanter für die heutige Arbeitswelt. So zeichnet sich das New-Work-Konzept laut Bergmann dadurch aus, dass es das klassische Verständnis der alltäglichen Lohnarbeit umkehrt. Der Zweck von Arbeit seit der industriellen Revolution bestand darin, dass der Mensch als „Werkzeug“ bestimmte Aufgaben und Arbeitsschritte erledigt. Im Zuge von New Work dient nun aber nicht mehr der Mensch als Mittel zum Zweck der Arbeitserfüllung. Die Arbeit selbst wird zum Mittel und trägt dazubei, dass sich der Mensch individuell verwirklichen kann. Laut Bergmanns Definition ist New Work somit Arbeit, die der Mensch machen will. Angetrieben wird das Konzept von New Work durch die Digitalisierung. Denn sie führt durch die Erleichterung der menschlichen Arbeit und Aufgabenbereiche dazu, dass über den Sinn der menschlichen Arbeit im Allgemeinen reflektiert wird. Welche Herausforderungen ergeben sich hierdurch also für den Arbeitsmarkt?
Vom Kapitalismus zum Talentismus
Eine weitere Entwicklung ist der gegenwärtige Übergang von der Industrie hin zu einer Wissensgesellschaft. Im Zuge dieser Entwicklung wird Wissen zum zentralen Rohstoff, der den entscheidenden Wettbewerbsvorteil liefert. Wissen wir für Menschen ebenso wie für Unternehmen zum Erfolgsfaktor. Mit dem Megatrend der neuen Wissenskultur gehen nicht nur neuartige und teils unvorhersehbare Anforderungen an den Arbeitsmarkt einher. Auch eine komplexe Schwerpunktverlagerung hin zu lebenslangem Lernen und Coachings. Denn auch die Arbeit wird im Rahmen dieser Entwicklung zunehmend zur Wissensarbeit. Für viele Tätigkeiten reicht reines Fachwissen heute nicht mehr aus. Auch weil die stattfindende regelrechte Wissensexplosion ständige Fort-, Weiterbildung unter anderem in Form von Workshops und Coachings erfordert. Die Komplexität vieler Aufgaben macht es zudem heute für einen einzelnen Menschen unmöglich, sie allein zu bewältigen. Stattdessen sind ganze Teams von Menschen mit vielfältigen Fähigkeiten gefragt. Im Zuge des Talentismus geht es also vor allem um Mitarbeiter, die das Potentzial für ständige Weiterbildung und Erweiterung ihres Fachwissens haben. Diese Menschen und Talente sind heutzutage das wichtigeste ökonomische Gut für dauerhaftes Bestehen im Wettbewerb.
Talent und Talentismus
Ähnlich wie all die Trends und Entwicklungen, steht Talentismus für eine stetige Weiterentwicklung und Verknüpfung von menschlichen Fähigkeiten. Denn: Talent ist keine fixe Sache. Begabung ist dynamisch und formbar. Sie muss gefüttert werden und den Status quo infrage stellen. Im Talentismus steht die Entfaltung der Potenziale des Menschen im Vordergrund. Der deutsche Ingenieur und Ökonom Dr. Klaus Schwab prägte während eines Weltwirtschaftsforums in Davos die Aussage, dass Talentismus der neue Kapitalismus sei. Ähnlich wie im Zuge der Industrialisierung das Kapital das Handwerk ersetzte, werde der Talentismus künftig das Kapital ersetzen. Kreativität und die Fähigkeit zu Innovationen würden in Zukunft zu den wichtigsten Produktionsfaktoren. Diese lieferten den entscheidenden Vorteil im globalen Wettbewerb. Aus diesem Grund werde es die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts sein, hochwertige menschliche Talente zu finden und an sich zu binden. Wer denke, dass Technologie künftig im Markt den entscheidenden Ausschlag geben werde, der irre sich. Laut Klaus Schwab sind es die Menschen. Aus diesem Grund ist die Relevanz von Talentismus signifikant für die langfristige Zukunft eines Unternehmens oder einer Organisation und setzt die Rahmenbedingungen für den ökonomischen Erfolg. Wenn Menschen und Kultur immer wichtiger werden, um strategische Ergebnisse zu erzielen, müssen Unternehmen entsprechend reagieren. Für Schwab bedeutet Talentismus nicht, dass die Produktivität gegen die Zufriedenheit der Mitarbeiter eingetauscht wird. Talentismus bedeutet, dass moderne und durchdachte Ansätze gefunden werden müssen. Werte innerhalb eines Unternehmens müssen verstanden, geteilt und verankert werden. Somit wird die Notwendigkeit einer modernen Talentstrategie zum größten strategischen Thema in der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts.
„War for Talents“ und Employer Branding
Dass kluge und vor allem kreative Köpfe zunehmend gefragt sind, zeigt sich bereits deutlich im „War for Talents“, der weltweit tobt und sich stetig verschärft. Laut einer Umfrage der Manpower Group haben heute weltweit im Durchschnitt 34 Prozent der Unternehmen Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung. Die größten Probleme haben sie unter anderem in Japan mit 81 Prozent und in Brasilien mit 71 Prozent. Doch auch 42 Prozent der deutschen Unternehmen geben an, nicht genug Fachkräfte finden zu können. Ob Japan, Brasilien, Deutschland oder speziell Bad Saarow betrachtend – die Suche nach gut ausgebildeten, talentierten und lernwilligen Arbeitnehmern ist global und lokal. Um sich von der globalen Konkurrenz abzusetzen, ist es für Arbeitgeber und Unternehmen daher unerlässlich, sich ständig weiterzuentwickeln und die eigene Nachwuchspflege neu zu erfinden. Talente streben nach einer angenehmen und produktiven Arbeitsatmosphäre, die ihnen Raum zur Entfaltung bietet. Ebenfalls streben sie nach einem guten Standort und vielfältigen Vorteilen. Um den Anforderungen und Ansprüchen der Talente gerecht zu werden, müssen Unternehmen und Arbeitgeber umdenken und auf die Bedürfnisse der kreativen Köpfe eingehen. Andernfalls werden sie im „War for Talents“ schnell abgehängt. Ziel des Employer Branding ist es, die Bekanntheit und Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern, intern wie extern von einer klaren Arbeitgebermarke zu profitieren und somit die Qualität wie auch Quantität der Bewerber zu erhöhen. Außerdem geht es darum, Mitarbeiter längerfristig zu motivieren und an sich zu binden, um Fluktuation zu senken und Wissen zu behalten.
Meist gelesene Artikel
TAG-Cloud